1851-1926 baute die Traditionsfirma Maffei in München mehr als 40 Dampfschiffe samt Antriebsaggregaten. In der Lokomotivfabrik des Firmengründers Johann Anton Maffei war der Schiffbau nur eine Nebentätigkeit. Mitte des 19. Jahrhunderts wurden vor allem die Donau und der Inn mit Flussdampfern beliefert, während sich Maffei gegen Ende des 19. Jahrhunderts primär als „Hauslieferant“ für die Bayerischen Seen etablieren konnte. Die wohl berühmtesten Schiffe aus jener Epoche waren dabei der Raddampfer Luitpold auf dem Chiemsee und die Salondampfer Zähringen und Lindau auf dem Bodensee.
Die Maffei Dampfmaschine Nr. 576 stammt aus dem Jahre 1926 und ist gleichzeitig auch die allerletzte Schiffsmaschine, welche die Maffei Werkhallen in München–Hirschau verliess. 1926 wurde der Schiffbau beim Lokomotivwerk eingestellt und nur fünf Jahre später erfolgte die Fusion mit dem andern prominenten Münchner Industriekonzern, Krauss & Comp. So entstand die bekannte Firma Krauss-Maffei.
Die Dampfmaschine selbst war von 1926 bis 1972 im letzten von Maffei entworfenen und mit Baunummer 44 versehenen Raddampfer Ludwig Fessler auf dem Chiemsee unterwegs. Als dieses Ursprungsschiff im Winter 1972/73 stark modernisiert und verdieselt wurde, gelangte die historisch gewordene Maschine an Land und wanderte über diverse deutsche Museumssammlungen schliesslich nach Rotterdam, zur Raddampferreederei von Klemens Key und Familie. Im Juni 2004 konnte die einzigartige Maschine von TRIVAPOR erworben werden.
Diese letzte Maffei Schiffsmaschine trägt unverkennbar die klassische Handschrift ihres Herstellers und besticht allgemein durch besondere Eleganz und baulich harmonische Schönheit. Sie ist vergleichbar mit den legendären S2/6 und S3/6 Dampflokomotiven aus derselben Epoche. Die Maschine überzeugt durch ihre platzsparende Kompaktheit und ihr unkompliziertes technisches Design. Dank der tiefliegenden Kurbelwelle passt sie perfekt in in den Schiffskörper der Neuchâtel.
Für Schweizer Verhältnisse ist die Maschine speziell, da sie sich von den Sulzer- und Escher Wyss Raddampfermaschinen durch ihre Stephenson Schiebersteuerung unterscheidet. Kein anderer schweizerischer Raddampfer verfügt über eine Stephenson gesteuerte Dampfmaschine, und selbst für Maffei war diese Anordnung nicht immer gegeben, denn diverse Maffei Schiffsmaschinen der Jahrhundertwende hatten aufwendige und komplizierte Ventilsteuerungen. Tatsächlich verkörpert die Maschine für ihr recht spätes Baujahr 1926 einen eher traditionellen und keineswegs avantgardistischen Stil der Dampfmaschinenkonstruktion. Bezüglich der Güte des Entwurfs und seiner Ausführung steht die Maffei Maschine allerdings den bewährten und qualitativ sehr hochwertigen Sulzer oder Escher Wyss Maschinen in nichts nach. Denn Maffei galt damals als Edelmarke unter den Dampfmaschinenherstellern in Deutschland.
Eine ästhetisch unverkennbare Eigenschaft der Maschine ist ihre originale Farbgebung aus den 1920er Jahren und ihr eleganter, dunkelblauer Anstrich. Auch die attraktive, seitliche Anordnung des Maschinistenstandes und des Kommandopostens, inklusive den relevanten Kontrollhebeln und den seitlichen Manometeranzeigen ist eine unverkennbare Baucharakteristik. Für die meisten der in Deutschland erbauten, schrägliegenden Schiffsdampfmaschinen war diese seitliche Zuordnung die Norm, in der Schweiz jedoch findet man diese Spezialität nur an den modernen und technisch sehr innovativen Dampfmaschinen der Schiffe Rhône und Montreux.
Bei einem Zylinderdurchmesser von 440 respektive 720mm, einem Kolbenhub von 900mm und einem Dampfdruck von 11,5 bar ist die Maschine auf 360 PS ausgelegt und somit um zehn Pferdestärken kraftvoller als die originale, 1968 verschrottete Escher Wyss Maschine der Neuchâtel. Die Maffei Maschine ist auf eine recht hohe Drehzahl zwischen 50 bis 60 Umdrehungen pro Minute ausgelegt und konnte auf dem Ursprungsschiff eine Höchstgeschwindigkeit von 24 km/h erreichen.
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